In der Dezember-Ausgabe (Nr. 36) des Münchner Feuilletons ist erschienen: Im Bannkreis des Erzählens, ein Bericht von der Ausstellung Otfried Preußler – Der Mensch braucht Geschichten im Bezirksmuseum Dachau. Dort waren u.a. einige sehr schöne Illustrationen Herbert Holzings zu sehen.
Im Bannkreis des Erzählens
Der Maronimann fehlt noch. Aber sonst hat sich die Dachauer Altstadt mit Rathauskalender und Christkindlmarkt schon zurechtgeputzt, als wollte es Großkulisse für die kleine Hexe werden. Wer am Schrannenplatz nach oben schaut, wie es Kinder tun, kann sie tatsächlich sehen: Auf ihrem Besen startet sie gerade von der Ecke des benachbarten Bezirksmuseums. Im Erdgeschoss läuft dort noch bis 1. März die Ausstellung Otfried Preußler – Der Mensch braucht Geschichten.
Die Dachauer Ausstellung ist nicht groß, aber gut und klug angelegt. Ursula Katharina Nauderer kommt mit sechs Räumen plus Videokammer und einer Gangwand aus, weil sie sich auf zwei wesentliche Aspekte konzentriert: die Buchillustration und das mündliche Erzählvergnügen. Die Begleittexte leiten das zum Teil aus der Biografie Otfried Preußlers her, aus den souverän gehandhabten Sagen- und Märchenstoffen der Großmutter im böhmischen Reichenbach, aus der Suche nach Halt im Kriegsgefangenenlager und aus der Herausforderung, die Großklassen der Nachkriegszeit durch Erzählung im Zaum zu halten. Das ist sicher richtig; wer aber nur eine Zeile Preußler kennt, nimmt es ohnedies hin, dass der Mensch Geschichten braucht, dass er sie mit offenem Maul hört und dass der Erzähler im Spiegel seines Publikums staunend erkennt, mit welcher Bannkraft sie funktionieren. Sie funktionieren sogar noch verschriftet, weil sie den Atem des Vortrags behalten haben. Eltern wissen bis heute, dass sich nichts notwendiger, nichts schöner und besser vorlesen lässt als Preußler.
An den Hörstationen ist darum vor allem Preußler selbst zu hören. Ansonsten verzichtet der didaktische Aspekt wohltuend auf überzogene Animation; dafür funktioniert alles: An Großmutters Kaffeemühle dürfen die Kinder die Kurbeln der Spieluhren drehen, sie heben den Topfdeckel von Bratwurst mit Sauerkraut und sie stolpern durch die Hotzenplotz-Kulissen des Neugablonzer Theaters im Turm, um sich mit Pistole und Räuberhut oder mit Uniformjacke samt Schaumstoffbauch, Säbel und Helm zu verkleiden. Ein einfacher Laufzettel leitet durch diese Schnitzeljagd.
Erwachsene dürfen sich zwar auch an den frühen Augsburger Puppenfiguren zu Kater Mikesch freuen, doch wird für sie in erster Linie die Buchkunst von Interesse sein. Sämtliche Illustratoren sind vertreten, von Winnie Gebhardt-Gayler, die den Erstling Der kleine Wassermann zeichnete (und Die kleine Hexe), über Franz Josef Tripp (Das kleine Gespenst und die Hotzenplotz-Trilogie) bis hin zum Autor, der die Hörbe-Geschichten selbst bebilderte. Im Zentrum steht freilich Herbert Holzing, dem Preußler eng verbunden war. Es lohnt sich sehr, die gewaltige Kontrasttiefe, die Holzings Schabtechnik aus dem fast ganz unbunten Kolorit holt, im oft erstaunlich großformatigen Galeriemodus wirken zu lassen. Neben Kostbarkeiten wie der Umschlagvorlage zu Thomas Vogelschreck sind hier sehenswerte Werke vor allem zu Krabat zu sehen – die Welt im Koselbruch hat Holzing wohl am nachdrücklichsten mitgeprägt. Von ihm stammen aber auch die Bilder zu Der starke Wanja, zu Mein Rübezahlbuch oder zu Die Glocke von grünem Erz. Sein Nachlass befindet sich, nicht oft genug gezeigt, im Bilderbuch-Museum auf Burg Wissem (Troisdorf).
Wer Preußler und Holzing noch im Advent (vor)lesen möchte, hält sich am besten an den Engel mit der Pudelmütze. Sich selbst legt man für die Feiertage die zu Unrecht kaum bekannte Flucht nach Ägypten auf den Gabentisch („Königlich böhmischer Teil“). Das lässt man sich natürlich vorlesen. Ich verspreche auch, dass ich’s dir zeige, wenn ein Bild kommt.