Die Sudetenland-Ausgabe 2/2017 ist vor allem Alfred Kubin gewidmet, der am 10. April 140 Jahre alt geworden wäre. Der Ausnahmezeichner des Grotesken wurde 1877 in Leitmeritz/Litoměřice geboren und lebte 1906 bis 1959 nicht weit von Passau, auf der österreichischen Innseite in Turm von Zwickledt.
Das Thema Kubin zieht sich quer durch die Rubriken: Hansjürgen Gartner vergleicht Die Blätter mit dem Tod (1918) und Ein neuer Totentanz (1947), Franziska Mayer hat Die andere Seite (1909), das große Erstlingswerk der fantastischen Literatur der Frühen Moderne, wiedergelesen, und natürlich gibt es das Schwerpunktporträt. Dort erinnert sich Joseph Berlinger an die Dreharbeiten zu Der Damenherr, Hana Klínková untersucht das Verhältnis von Alfred Kubin und Josef Váchal, in das auch František Holešovský hineinspielt, Jozo Džambo zeichnet die beiden Bosnienreisen Kubins nach, und Sabine M. Sobotka sieht auf Humor und Ironie im Werk Kubins. Sie ist Leiterin der Grafischen Sammlung in der Landesgalerie Linz, wo am 26. April das Kubin-Kabinett neu wiedereröffnet wurde; außerdem hatte Linz im Geburtstagsjahr eine Sonderausstellung zum Thema Humor und Ironie bei Kubin laufen. Die Kostbarkeit dieser Rubrik ist aber ein Brief Kubins vom 6. August 1943 an die Japanologin und Schriftstellerin Suzan Wittek (1899–1968). Das Schreiben, das Claudia Lehner transskribiert hat und vollständig abbildet, stammt aus dem Nachlass Herbert Lange im Oberösterreichischen Literaturarchiv/Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich. Dort gab es 2017 eine „Digitale Mikro-Ausstellung“: Alfred Kubin an Herbert Lange und Suzan Wittek – Briefe 1940–54.
Der Rest des Heftes ist mehrheitlich gut bis sehr gut, aber leider angeschmutzt, speziell das Thema Heimat (in) Europa. So hieß das deutsch-tschechische Autorengespräch des Stifter-Vereins Ende März in München, mit Beiträgen von Jörg Bernig (Leipzig), Lena Gorelik (München), Petra Hůlová (Prag) und Magdaléna Platzová (Prag, Lyon). Namentlich Jörg Bernig möchte ich lieber nicht begegnen, auch nicht als Deutscher. Dasselbe gilt für Petra Hůlová. Unglücklicherweise setzt sich das Thema in die Rubrik Prosa fort, ich gehe daran vorbei und gelange zurück zu Walter Künzels Die unvergessenen Jeschken-Titsche. Er macht das auf seine Art und Weise sehr viel besser.
Dafür finde ich im Forum der Übersetzer einen sehr schönen Dialog und lustige Typografielyrik von Michal Šanda, aus dem Tschechischen übersetzt von Martina Lisa: Holmenkollen. Sehr gut sind auch Anna Knechtels Kaffeehausbeitrag zum, warum nicht?, Gran Caffè Gambrinus in Neapel sowie Wolfgang Sréters schauerliche Erinnerungsgeschichte Über die Welt fliegen.
Als Ort der Vermittlung stellt Manfred Müller diesmal Franz Kafkas Sterbehaus vor: das damalige Sanatorium Dr. Hoffmann in Kierling bei Klosterneuburg, in dem die Österreichische Franz-Kafka-Gesellschaft einen Studien- und Gedenkraum unterhält. Die Brücke/Most-Stiftung, die an dieser Stelle der Sudetenland-Ausgabe 4/2016 vorgestellt wurde, wird dagegen ihre Tätigkeit zum Jahresende einstellen müssen. Das Stiftungskapital funktioniert derzeit, nämlich ohne Zinsen, nicht.