Der Zoll hat am 19. August 2023 auf Mastodon eine Preisfrage gestellt: Wie viel #Honig (ohne Wabe) darf im #Reiseverkehr bei der Rückkehr nach 🇩🇪 max. eingeführt werden? Hier meine Antwort: Es gibt generell keinerlei Mengenbeschränkung. Der Zoll sieht das vielleicht anders.
Schwer fallen sollte eine Antwort in keinem Fall, denn der Zoll ist im Internet und hat eine Seite zur Einfuhr von tierischen Erzeugnissen im Reiseverkehr, und zwar bei Reisen nach Deutschland aus einem Nicht-EU-Staat; auf der Seite für Reisen innerhalb der EU sind keine honigrelevanten Informationen zu finden, andere Informationsquellen werden nicht genannt. Der Online-Abgabenrechner, den ich zur Sicherheit aufrufe, bestätigt: „Der Handel mit Waren in der EU ist frei. Sie können daher Lebens- und Futtermittel tierischer Herkunft ohne Einschränkungen aus Ihrem Reiseland mitbringen.“ So ungefähr hatte ich die EWG- bzw. EU-Idee auch im Gedächtnis. Also:
- Bei der Reiserückkehr aus einem EU-Land darf Honig ohne Mengenbeschränkung eingeführt werden.
Im Prinzip. Zugleich wird die Warnung ausgesprochen, dass die Einfuhr von Lebensmitteln tierischen Ursprungs auch noch Regeln zum Gesundheitsschutz unterliegt. Das wird dann relevant, wenn wir die Rückreise aus einem Nicht-EU-Land antreten. Online informiert der Zoll, dass bestimmte „Waren bis zu einem Gewicht von zwei Kilogramm (z.B. Honig)“ mitgebracht werden können, dass bei Honig aus den Färöern und Grönland sogar 10 kg erlaubt sind und es bei Honig aus Andorra, Island, Liechtenstein, Nordirland, Norwegen, San Marino und der Schweiz gar keine Mengenbeschränkung gibt. Also sollte bei der Reiserückkehr aus einem Nicht-EU-Land gelten:
- aus den Färöern und Grönland: max. 10 kg Honig,
- aus Andorra, Island, Liechtenstein, Nordirland, Norwegen, San Marino und der Schweiz: Honig ohne Mengenbeschränkung,
- aus anderen Nicht-EU-Ländern: max. 2 kg Honig.
Das klingt plausibel, aber um ganz sicherzugehen, wollen wir noch bei der DELEGIERTEN VERORDNUNG (EU) 2019/2122 DER KOMMISSION vom 10. Oktober 2019 nachsehen, die uns der Zoll freundlicherweise nennt.
Es stellt sich zunächst heraus, dass die Frage sonderbar gestellt ist. (EU) 2019/2122 macht gar keine Angaben dazu, welche Mengen von irgendwas im Rückreiseverkehr nach Deutschland ‚eingeführt werden dürfen‘. Art. 1 (Gegenstand) bezieht sich vielmehr auf Dinge, die „von amtlichen Kontrollen an Grenzkontrollstellen ausgenommen“ sind; entsprechend auch die Erwägungsgründe (8) und, näher an der Sache, Art. 7 („sind von amtlichen Kontrollen an Grenzkontrollstellen ausgenommen“). Ob aus der Feststellung, dass in manchen Fällen von der Kontrolle abgesehen wird, zu schließen ist, dass die Einfuhr erlaubt sei, ist eine keineswegs triviale Frage. Keine Kontrolle ist nicht dasselbe wie Erlaubnis. Und es gibt tatsächlich „besondere amtliche Kontrollen an den Unionseingangsorten“ (Art. 9), die genau die Einhaltung der in Art. 7 genannten Beschränkungen ermitteln sollen. Diese besonderen Kontrollen kontrollieren also, ob Waren von der Kontrolle ausgenommen sind oder nicht.
Die honigrelevanten Passagen dürften in Art. 7 zu finden sein:
„Artikel 7
[…]
Erzeugnisse tierischen Ursprungs, [… die im persönlichen Gepäck von Fahrgästen bzw. Passagieren für den eigenen Bedarf oder die eigene Verwendung mitgeführt werden, sind von amtlichen Kontrollen an Grenzkontrollstellen ausgenommen, sofern sie mindestens einer der folgenden Kategorien angehören:
[…]
c) andere als die in den Buchstaben a und b dieses Artikels genannten sowie andere als die in Anhang I Teil 2 genannten Waren, sofern deren Gewicht zusammengenommen 2 kg nicht übersteigt;
[…]
e) Waren, mit Ausnahme von zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen, die aus Andorra, Island, Liechtenstein, Norwegen, San Marino oder der Schweiz stammen;
[…]
g) Waren, mit Ausnahme von zum Anpflanzen bestimmten Pflanzen und mit Ausnahme von Fischereierzeugnissen, die aus den Färöern oder Grönland stammen, sofern deren Gewicht zusammengenommen 10 kg nicht übersteigt.“
Das lässt viel Verständnisspielraum und müsste, falls überhaupt, so zu verstehen sein: Von der Kontrolle ausgenommen sind Honigmengen
- bis max. 2 kg (Art. 7c)
- ohne Obergrenze bei Honig aus Andorra, Island, Liechtenstein, Norwegen, San Marino oder der Schweiz (7e) – gemäß der Lesart, „Waren, […] die aus […] stammen“. Vielleicht sind aber auch „Pflanzen, die aus Andorra, Island, Liechtenstein, Norwegen, San Marino oder der Schweiz stammen“ gemeint, die die einzige Ausnahme darstellen; dann ergäbe sich:
- ohne Obergrenze (Art. 7e), und zwar generell „Waren“ (mit der einzigen Ausnahme von Pflanzen, die aus Andorra, Island, Liechtenstein, Norwegen, San Marino oder der Schweiz stammen)
- max. 10 kg (Art. 7g) und zwar generell „Waren“ – gemäß der Lesart „Waren, […] sofern deren Gewicht zusammengenommen 10 kg nicht übersteigt“. (Ob dann sowohl die Pflanzen als auch die Fischereierzeugnisse aus den Faröern oder Grönland stammen – eher nicht, weil ja ausdrücklich zwei Mal eine „Ausnahme“ gemacht wird –, ist eine weitere spannende Frage, die aber nichts zur Sache tut.) Vielleicht sind aber „Waren, […] die aus den Färöern oder Grönland stammen, sofern deren Gewicht zusammengenommen 10 kg nicht übersteigt“, gemeint; dann ergäbe sich:
- max 10 kg (Art. 7g) für Honig aus den Färöern oder Grönland.
Nachdem zur Befreiung von der Kontrolle lediglich erforderlich ist, dass die mitgebrachten Waren, „mindestens einer der folgenden Kategorien angehören“ (Hervorhebung F.E.), und die übrigen Bestimmungen außer Betracht bleiben können, weil ja bereits die Erfüllung einer Bedingung genügt, um kontrollfrei zu bleiben, sollte gelten:
- Bei der Reiserückkehr aus einem Nicht-EU-Land darf Honig ohne Mengenbeschränkung eingeführt werden.
Und wir können beide Herkunftsregionen zusammenfassen:
- Bei der Reiserückkehr darf Honig ohne Mengenbeschränkung eingeführt werden.
(Zu bedenken wäre prinzipiell noch, dass es wohl einen Unterschied macht, ob ich aus Island Honig mitbringe oder ob ich isländischen Honig mitbringe. Ich könnte auf Island ein günstiges 12-kg-Paket spanischen Honigs erstehen und zurück nach Deutschland bringen.)
(EU) 2019/2122 kann ich nicht gut geschrieben finden. Sowohl in Art. 7e als auch in Art. 7g sind die Nebensätze nicht in der Lage, die Lesarten „ohne Obergrenze“ deutlich genug auszuschließen. Nunc aliquis dicat, dass der Gesetzgeber ‚offenbar‘ das eine nicht gemeint habe, das andere wohl schon. Dazu ist zu sagen: 1. Offenbar ist gar nichts. 2. Es wäre vielmehr Aufgabe der Legislative gewesen, deutlich zu machen, was sie im Sinn hat. Sonst besorgt der Zoll als Exekutive wie selbstverständlich die Erstauslegung, und zwar indem er Tatsachen schafft (kontrolliert etc.); eine schlampige Gesetzgebung wird stets in die behördenfreundlichste Praxis übersetzt, und es bleibt die kostspielige und langwierige Aufgabe von Einzelnen bzw. der Zivilgesellschaft, eine gerichtliche Klärung der Auslegung herbeizuführen. Eine schlampige Gesetzgebung gefährdet das demokratische Prinzip der Gewaltenteilung.
Tatsächlich können sowohl die Zoll-Website als auch ANHANG III, Nr. 5, die Regelungen durchaus unmissverständlich darstellen bzw. auslegen. Allerdings fehlt im Anhang, schmerzlich, aber nicht verwunderlich, Art. 7e, der keine andere Wahl lässt, als entweder „Waren“ überhaupt oder „Waren, […] die aus Andorra, Island, Liechtenstein, Norwegen, San Marino oder der Schweiz stammen“ von der Kontrolle auszunehmen. Eine von beiden Bedeutungen muss der Satz haben, wollte man nicht rundheraus behaupten, dass er gar nichts bedeute.
Und tatsächlich, am 21. August: